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Archivübersicht

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September 2007

22.09.2007 Marxloher Modell Empfehlungen
22.09.2007 Die Debatten bieten auch Chancen Empfehlungen
18.09.2007 Platzeck würdigt Frauenrechtlerin Serap Cileli Empfehlungen
14.09.2007 Der wahre Dschihad ist der gegen sich selbst
12.09.2007 Protest gegen Moscheen
05.09.2007 Pankow ganz weltoffen
04.09.2007 Moscheegegner im rechten Netz

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Berliner Zeitung, 22.09.2007
Marxloher Modell Empfehlungen
Carsten Kaefert
DUISBURG. Imposant ist sie, die Merkez-Moschee, die derzeit in Duisburg-Marxloh entsteht: Eine große Kuppel und ein 34 Meter hohes Minarett prägen das Gebäude, das die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (Ditib) baut. Leicht lassen sich die orientalischen Verzierungen vorstellen, die den Bau später einmal schmücken sollen. Die Moschee wächst in aller Stille, und das ist das Besondere in Duisburg.
Rheinaufwärts in Köln tobt eine heftige Debatte um den Bau einer Moschee, und auch in Berlin und Frankfurt am Main wird um muslimische Gotteshäuser gerungen. In Duisburg aber wächst alles still und leise. Der Grund: Alle haben im Vorfeld miteinander geredet - Stadt, Anwohner und Kirchengemeinden. So viel Dialog zog zuletzt gar US-Botschafter William R. Timken an, der sich über das Marxloher Modell informieren ließ.
Dabei hat es auch in Duisburg Versuche gegeben, die Ruhe zu stören, vor allem von ganz rechts. "Es gab schon Proteste", sagt Hartmut Eichholz von der städtischen Entwicklungsgesellschaft Duisburg. "So haben Rechte, also NPD und Freie Kameradschaften, eine große Demonstration veranstaltet." Auch hätten Anwohner ihre Zweifel gehabt. Eichholz: "Vor kurzem hat der Moschee-Verein das Projekt mit einem Modell auf einem Stadtteilfest gezeigt. Da haben schon einige gesagt ,Das ist doch nicht nötig, ihr habt doch schon genug'."
Doch sind die Fürsprecher in der Überzahl: Die Stadt stellt das Vorhaben stolz auf ihrer Internetseite vor, und auch Ernst Raunig, Pfarrer an der evangelischen Kreuzeskirche in Marxloh, ist ein Befürworter der Moschee, die sich nach seiner Ansicht deutlich von anderen Moscheebauten hierzulande unterscheidet: "In der Moschee ist eine öffentliche Begegnungsstätte. Ihr Raum bildet quasi die Basis des ganzen Baus und ist wirklich allen zugänglich. Es gibt dort eine garantierte Offenheit", sagt er und lobt den "guten Dialog", den man in Marxloh seit 20 Jahren pflege - zwischen Kirche und Muslimen sowie unter den verschiedenen muslimischen Gruppen. "Man hat dort praktische Erfahrungen im Umgang miteinander, darum herrscht gegenseitiges Vertrauen."
Eine weitere Besonderheit sehen Eichholz und Raunig in der Rolle, die die Frauen spielen: "Entgegen allen Vorurteilen über den Islam waren es vor allem Frauen, die dieses Projekt vorangebracht haben", so Pfarrer Raunig. Eichholz berichtet etwa von einer Skulptur des Dialogs, die muslimische und christliche Frauen gemeinsam gebaut hätten. "Solche Vorhaben haben den Weg geebnet", sagt er.
Züfiye Kaykin ist eine dieser Frauen. Die Leiterin der Begegnungsstätte erhielt für ihr Engagement das Bundesverdienstkreuz. Auch sie lobt die gute Kooperation: "Es gab ein Dreiergespann von Muslimen, Stadt und Beirat. Der hat die gesamte Entwicklung begleitet, wodurch viele integriert wurden: Die Stadt genießt bei den Bürgern hohes Vertrauen, wie auch die Kirche und die übrigen Beiratsmitglieder."
Der Beirat wurde gleich zu Beginn der Planungen gegründet. Er versammele "alle relevanten Gruppen, von der Kirche bis zu den Nachbarn", sagt Eichholz. "Natürlich bleiben auch welche fern, zum Teil andere große Moschee-Gemeinden, aber auch kleinere Gruppen, christlich und muslimisch, die nicht so sehr in das Gemeindeleben integriert sind." In Marxloh sind neben der Ditib noch die Milli Görüs und kleine, überwiegend afghanische Vereine aktiv. Auch Pfarrer Raunig sieht im Vorgehen der muslimischen Gemeinde mit der Gründung des Beirats einen der Hauptgründe für die hohe Akzeptanz der Moschee: "Das hat man in Marxloh anders gemacht als anderswo." Doch man lernt mittlerweile von den Duisburger Erfahrungen: In Köln hat die Ditib kürzlich einen Beirat nach Duisburger Beispiel vorgestellt.
Im nächsten Frühjahr wird sich zeigen, ob die hohen Erwartungen erfüllt werden: Dann nämlich soll die Moschee in Duisburg-Marxloh eröffnet werden.

Kurz vor seinem Abschied aus Amt und bayrischen Ehren diktierte CSU-Ministerpräsident Edmund Stoiber jetzt einem Boulevard-Blatt sein Vermächtnis: "Bei aller Toleranz - Kathedralen müssen größer sein als Moscheen."
Stoiber fordert nun einen offensiven Dialog mit dem Islam. Der ist spätestens seit dem Anschlag vom 11. September nachhaltig gestört. Am deutlichsten äußert sich dies in den Debatten um den Neubau von Moscheen, nicht nur hierzulande. In Italien zum Beispiel polemisiert die rechte Lega Nord gegen einen Moscheebau in Bologna. Nach massiven Protesten wurde der Bau jetzt ausgesetzt.
Der linke Bürgermeister Sergio Cofferati sagt, die Anwohner sollten die Gelegenheit haben, die Pläne zu prüfen und über die Größe und Lage des Gotteshauses zu diskutieren. "Wir werden die Stimmung in der Nachbarschaft berücksichtigen und dann eine Entscheidung treffen", so Cofferati. "Aber ich beharre darauf, dass die Moschee gebaut wird."
Länder mit langer Einwanderertradition wie Frankreich, Belgien und Großbritannien sind gegenüber Andersgläubigen toleranter als Staaten in Südeuropa wie Italien, sagt Harvard Forscherin Jocelyne Cesari. In Frankreich zum Beispiel läuft manches anders. In Marseille etwa wird seit 1723 um den Bau einer Zentralmoschee gerungen. Seit zwei Jahren wird gebaut. Möglich gemacht hat dies eine institutionalisierte Form des Dialogs: ein regionaler Muslimrat. Er koordinierte die Gespräche unter den 200 000 Muslimen Marseilles, aber auch mit der Stadt. Die Behörden kooperierte, überließ das Baugrundstück kostenlos. Im Gegenzug geht die Verwaltung rigide gegen Hinterhofmoscheen vor, in denen sie radikale Prediger vermutet. In Duisburg hat die muslimische Gemeinde das Dialog-Prinzip nun übernommen. Mit Erfolg. Selbst US-Botschafter William Timken hat sich über das Marxloher-Modell informiert. (BLZ)

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Berliner Zeitung, 22.09.2007
Die Debatten bieten auch Chancen Empfehlungen
Riem Spielhaus ist Expertin für Islamwissenschaft des nichtarabischen Raums am Institut für Asien- und Afrikawissenschaften an der Humboldt-Universität Berlin. Mit einer Kollegin erstellte sie die Studie "Islamisches Gemeindeleben in Berlin".
Frau Spielhaus, werden derzeit mehr Moscheen gebaut oder täuscht der Eindruck?
Auch wenn es manchmal so wirkt: Moscheen sind in Deutschland nichts Neues, in Berlin wurde die erste schon 1927 eröffnet. In den Neunzigern gab es einen Bauboom bei Moscheen. Auch damals gab es Konflikte, weil aber die meisten Moscheen in kleineren Städten erstanden, blieben sie ein Thema der Lokalseiten - sowie andere umstrittene lokale Neubauten. Insgesamt wurden in den 90er-Jahren in Deutschland rund 70 Moscheen gebaut, damals gab es die meisten Neubauten.
Warum wird dann derzeit um die Neubauten so heftig gerungen?
Die Konflikte erregen aus zwei Gründen soviel Aufmerksamkeit: Einerseits werden jetzt in Großstädten Moscheen gebaut. Dort ist es viel einfacher, mit den Konflikten Politik zu machen. Zudem sind die Medien und die Öffentlichkeit seit dem 11. September 2001 für solche Themen sensibilisiert.
Dabei könnten Moschee-Neubauten einen Beitrag zum Dialog sein?
Diese Diskussionen sind eine große Chance, Versäumtes nachzuholen. In Köln-Ehrenfeld etwa hat sich die Nachbarschaft schon seit langem verändert. Der Streit um die Moschee bringt diese Veränderungen jetzt ins Gespräch. Oder in Berlin-Heinersdorf, wo man die Veränderung selbst fürchtet; auch dort kann der Moscheebau Anlass für notwendige Gespräche und Diskussionen sein. Die Debatten bieten also die Chance, endlich zueinander zu finden. Dazu müssen sie aber konstruktiv begleitet werden.
Gibt es nationale oder regionale Unterschiede in den Herangehensweisen, was Moschee-Projekte betrifft?
In Berlin gibt es sogar Unterschiede zwischen den Bezirken: Während in Neukölln nicht nur Moschee-Neubauten, sondern sogar Umbauten schwierig sind und Genehmigungen dafür oft abgelehnt werden, sieht es in Kreuzberg ganz anders aus. Dort hat es zwar gut 20 Jahre gedauert, den Moscheebau auszuhandeln, aber schließlich wurde gebaut.
Könnte das Duisburger Dialogmodell nicht Schule machen. Oder was läuft in Köln falsch?
Das ist schwer zu sagen. In Köln wurde viel richtig gemacht. Man hat früh mit allen geredet, Nachbarn und Medien informiert. Insofern ist das Scheitern dort fatal. Möglicherweise liegt es daran, dass die Diskussion über den Moscheebau über die Nachbarschaft hinaus gewachsen ist und plötzlich ein Thema für die ganze Stadt wurde und ganz andere Themen und Interessen damit verknüpft werden konnten.
Das Gespräch führte Carsten Kaefert.

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Presseinformation der Staatskanzlei Brandenburg, 18.09.2007
Platzeck würdigt Frauenrechtlerin Serap Cileli Empfehlungen
Ministerpräsident mahnt Verbesserungen bei Integration an
Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck hat die Frauenrechtlerin Serap Cileli für ihre Verdienste um die rechtliche Gleichstellung türkischer und muslimischer Frauen gewürdigt. Die türkischstämmige deutsche Staatsbürgerin wurde am Dienstagabend in Potsdam mit dem Orden „Bul le mérite“ des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK) ausgezeichnet, Platzeck hielt als Schirmherr der Veranstaltung die Laudatio. Darin lobte er die Zivilcourage Cilelis als „vorbildhaft“. Ihre Haltung werde „hoffentlich viele Menschen zur Nachahmung ermuntern“. Zugleich machte sich der Regierungschef für eine generelle Verbesserung der Situation von Frauen mit Migrationshintergrund stark. Laut Platzeck steht Serap Cileli in der Tradition großer Frauenrechtlerinnen. In ihrem ersten Buch „Wir sind eure Töchter, nicht eure Ehre“ schildere sie offen ihre bedrückende Kindheit und Jugend in einer streng muslimisch geprägten Familie und leiste damit auch vor dem Hintergrund des Mordes an der 2005 von ihrem Bruder in Berlin erschossenen Hatun Sürücü „einen wertvollen Beitrag zu einer längst überfälligen Debatte“. Selbstzeugnisse wie dieses Buch könnten einen Mentalitätswandel in türkisch-muslimischen Familien herbeiführen. Der Ministerpräsident sagte: „Entschlossen tragen Sie dazu bei, die Mauer des Schweigens zu durchbrechen und Leidensgenossinnen zum Aufbegehren zu ermutigen. Hartnäckig setzen Sie sich für das Selbstbestimmungsrecht unterdrückter Frauen ein und prangern die Menschenrechtsverletzungen an, die vor unserer aller Augen geschehen.“ Das Risiko, deshalb bedroht zu werden, habe Cileli nicht davon abhalten können, an die Öffentlichkeit zu gehen. Im Hinblick darauf sei die Ordensverleihung ein „wichtiges Signal“. Der Regierungschef kritisierte, „dass Deutschland in Sachen Integration von Migranten trotz aller Anstrengungen erst am Anfang eines langen Prozesses steht. Und fest steht zudem, dass über Jahre hinweg aus Unwissenheit, Scheu und missverstandener Toleranz viel versäumt wurde.“ Der „Bullenorden“ wird seit 1975 für Verdienste um die innere Sicherheit, die Kriminalitätsbekämpfung oder den Täter-Opfer-Ausgleich verliehen. Unter den Ordensträgern sind Prominente wie die früheren Bundesminister Hans-Dietrich Genscher und Otto Schily.

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Berliner Zeitung, 14.09.2007
Der wahre Dschihad ist der gegen sich selbst
Ein islamischer Konvertit über die Nähe von Glaubenswechsel und Fanatismus
Hadayatullah Hübsch
Als ich 1969 zum Islam konvertierte, wurde ich für verrückt gehalten. "Der ist jetzt bei Science Fiction" war noch eine der harmlosen Äußerungen aus der Szene der 68er, mit denen meine Abkehr von der Lebenseinstellung "High sein, frei sein, ein bisschen Terror muss dabei sein" kommentiert wurde. Aber natürlich habe ich damals versucht, die Welt um mich herum zu missionieren. Glaubenseifer und Überzeugungsdrang gehören nun mal dazu, wenn man plötzlich etwas gefunden hat, das einem zum Paradies geworden ist.
Dass ich bei aller Radikalität nicht militant geworden bin in den Jahren darauf, verdanke ich der toleranten islamischen Reformgemeinde, in die ich dann eintrat, und dem Imam der Nuur-Moschee in Frankfurt am Main, die von den Ahmadiyya-Muslimen errichtet worden war, und in der ich heute als ehrenamtlicher Freitagsprediger wirke.
Aber nicht allen Konvertiten ist das Glück zuteil geworden, nicht Gehirn gewaschen zu werden. Ich habe in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder Leute getroffen, die im Feuereifer der Meinung, den Schlüssel zur Erlösung für die Menschheit gefunden zu haben, ihre persönlichen Lebensumstände so umkrempelten, dass sie Geld und Besitz und Freundschaften und Karriere über Bord warfen in der Hoffnung, damit das Gefallen ihres Gottes oder Gurus oder der Revolution zu erlangen. Und manchmal haben sie auch ihr Leben dabei verloren.
Ich erinnere mich an einen Deutschen, der sich der indischen Ananda Marga Sekte angeschlossen hatte, ein liebenswerter Junge, äußerlich nett und einnehmend, der sich dann aus Protest gegen die schlechte Behandlung seines Gurus durch die Behörden selbst verbrannte. Ich erinnere mich an andere, die alles verkauften und ihre Zelte in Deutschland abbrachen, um in der Nähe ihres spirituellen Meisters zu sein und dann letztlich vor einem Scherbenhaufen saßen. Ich erinnere mich an die immensen finanziellen Opfer, die Genossen der K-Gruppen in den Siebzigerjahren aufbrachten, durch die sie bisweilen ruiniert wurden. Ich erinnere christlich angehauchte Sekten, die ihre Mitglieder in den Selbstmord trieben, und den Schweden, der meinte, von Jesus den Befehl dazu erhalten zu haben, die Außenministerin seines Landes zu töten.
Solange es aber bei vereinzelten Untaten bleibt oder der Fanatismus nicht allgemeingefährlich wird und sich Unwohlsein nur bei penetranten Missionierungsfeldzügen breit macht, bleibt man gelassen. Was aber jene betrifft, die sich dem Islam anschließen, so ist der Fall inzwischen anders geworden. Durch die globale Bedrohung, die von terroristischen Netzwerken ausgeht, wächst auch die Angst vor möglichen Gefahren, und mit ihr eine unverhältnismäßige Einschätzung der Vorbereitungen zu Gewaltakten.
Manche fast hysterisch zu nennende Formen derartiger Schutzmaßnahmen haben wir ja im Gefolge des RAF-Terrorismus erlebt, und man sollte meinen, dass daraus zu lernen wäre. Indes, wenn auch Politiker sich gegen Vorstellungen wehren, man müsse hierzulande von einem Generalverdacht hinsichtlich jener Deutschen ausgehen, die sich zum Islam bekennen, so ist de facto doch ein weitgehendes Misstrauen zu spüren, was deutsche Muslime anbelangt. Aber warum?
Schuld daran, dass Vertrauensbildung so erschwert wird, ist nicht nur eine jahrhundertealte Verketzerung des Propheten Mohammed als Anti-Christ und des Korans als satanisches Werk, die in gewissen christlichen Kreisen gepflegt wird, und nicht nur ein Missverstehen dessen, was der Islam eigentlich will, sondern vor allem auch das, was verbrecherische Köpfe in ihrer Dummheit als Islam ausgeben.
Wenn von ihnen irrigerweise gepredigt wird, dass ein Muslim "Taqiya" praktizieren dürfe und somit die Erlaubnis erteilt wird, zu lügen und zu betrügen, solange dies dem Islam diene, dann darf man sich nicht wundern, wenn daraus eine Verfolgungsmentalität entspringt. Mit der Lizenz zu töten aus geistlichem Munde ausgestattet, verfällt dann manch ein labiler Typ dem Wahn, ihm sei alles gestattet, weil er ja im Auftrage des Herrn unterwegs ist. Was das mit göttlicher Weisheit, Barmherzigkeit oder Liebe zu tun hat, wird dann nicht mehr gefragt. In der Illusion, die Gerechtigkeit des Himmels auf Erden in die Tat umsetzen zu dürfen, werden Konvertiten dann sehr schnell selbstgerecht und blindwütig.
Das aber ist kein Phänomen des Islams allein. Die tausenden von Toten, die hinduistische Selbstmordattentäter auf Sri Lanka verursacht haben, von Christen ermordete Abtreibungsgegner, Militanz von Buddhisten oder Amokläufe jüdischer Aktivisten sprechen eine deutliche Sprache. All das wird hierzulande weniger zur Kenntnis genommen, als ob es sich nicht um auch religiös motivierte Akte handelt.
Was islamische Konvertiten anbelangt, so können sie, wenn sie in die falschen Hände geraten, natürlich ebenfalls radikalisiert werden. Nicht mehr der Glaube an Allah als Gnadenreichen Schöpfer und Mohammed als Siegel der Propheten und Krone der Schöpfung zählt dann, sondern eine Pervertierung dieses Glaubens. Die Lehren über den Dschihad als Mittel zur Selbstverteidigung und Herstellung von Freiheit, die ja auch vom Judentum und Christentum praktiziert werden, werden verunstaltet zu hasserfülltem Rachefeldzug gegen alle vermeintlich Ungläubigen. Dass es im Koran heißt, dass Allah die Unfriedensstifter nicht liebt, wird dann nicht zur Kenntnis genommen.
Verblendet, irregeführt und sich als eigenmächtigen Vollstrecker göttlichen Zorns betrachtend, wird so manch einer zu einem Fanatiker, der die Fehler nicht mehr in sich selbst sucht, sondern die Schuld an allem Übel immer nur den anderen zuschreibt.
Schon als junger Muslim habe ich gelernt, dass Nachdenken und Selbstkritik Kardinaltugenden des Islams sind, dass der wesentlichste Dschihad der Kampf des Menschen gegen sich selbst, seinen Egoismus, seine Machtgier und Sünden ist, und man deren Wurzeln aus seinem eigenen Herzen entfernen muss, um wirklich zum Muslim (was auf Deutsch "gottergebener Mensch" heißt) zu werden. Was könnte sonst ein Heilmittel gegen Fanatismus, der zum Mord verleitet, sein?
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Hadayatullah Hübsch, geboren 1946 in Chemnitz, war während der Studentenunruhen in West-Berlin Mitglied der Kommune 1. 1969 konvertierte er zum Islam. Heute lebt er als Journalist und Schriftsteller in Frankfurt am Main und ist dort Freitagsprediger in der Nuur-Moschee. Hadayatullah Hübsch arbeitete acht Jahre für die FAZ, war lange Vorsitzender des Hessischen Schriftstellerverbandes und veröffentlichte zahlreiche Essays, Sachbücher und Gedichtbände, u.a. "Alles war Geheimnis. Vom LSD zum Islam", "Der Weg Mohammeds" und "Asphalt-Derwisch".

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TAZ, 12.09.2007
Protest gegen Moscheen
Hetze im Hinterhof
Die islamfeindlichen Moscheegegner in Moabit bekommen Verstärkung: Ein CDU-Politiker will gegen den Kulturverein formaljuristisch vorgehen.
VON JENNY BOHSE
Unbeliebt bei manchen CDU-Politikern: Berliner Muslime beim Gebet
Foto: Reuters
Beim Einbiegen in die Waldstraße versiegt der Lärm der viel befahrenen Turmstraße. Die Straße ist von Bäumen gesäumt, in der Mitte befindet sich ein Spazierweg. Für Moabit ist es hier sehr ruhig. Doch unter der idyllischen Oberfläche brodelt es.
Seit einigen Wochen herrscht in der Waldstraße 57 ein sich zuspitzender Nachbarschaftskonflikt um eine Moschee im Hinterhof. Die ehemalige Sparkasse wird seit 2003 von dem Kulturverein "Haus der Weisheit" unter anderem als Gebetsstätte genutzt. Doch seit Mai versperrt eine Baustelle den Zugang zur Moschee und die Besucher müssen durch die Hofeinfahrt in der Waldstraße kommen. Das nehmen drei Mietparteien der Nummer 57 zum Anlass, Hetze gegen Abdallah Hajjif, den Imam der Moschee und Gründer des Hauses der Weisheit, zu führen.
Einer der Mieter, Gerhard Bock, gründete mit dem Hausmeister Jürgen Krämer den "Verein Berliner Nachbarschaftshilfe" (VBN). Auf dessen Internetseite ruft Bock zur Entislamisierung des ganzen Bezirks auf. Unterstützung verspricht sich der Vorsitzende des VBN von dem Pankower CDU-Abgeordneten René Stadtkewitz. Der setzte sich bereits lautstark gegen den Bau der Ahmadiyya-Moschee in Heinersdorf ein. Für Dienstag lud Bock den Politiker daher zu einem Treffen des Vereins in die Gaststätte Holzwurm gegenüber des Mietshauses ein.
Die taz fliegt raus
Dort warten drei ältere Herrschaften plus Ehefrauen, sowie zwei Herren in den Mittvierzigern auf den Beginn der Veranstaltung. Bock, in dunklem Anzug und weißen Hemd, begrüßt die Besucher, während ein Kamerateam von Spiegel online sein Equipment aufbaut. Die taz ist weniger gerne gesehen. "Sie sind nicht eingeladen!", schreit Bock und wird beim ersten Widerwort noch direkter. "Sprech ich polnisch oder was? Verschwinden Sie, sonst ruf ich die Polizei!" Er habe die Lügen "dieser Schmierblätter" satt.
Die taz berichtete vergangene Woche über die Vernetzung von Moscheegegnern und Rechtsextremisten sowie über Bocks ausländerfeindliche Äußerungen im Internet. Als "skipperberlin" tauscht sich Bock mit Gleichgesinnten aus und greift dabei auch zu Geschmacklosigkeiten. Bestes Beispiel: Ein Comic, in dem ein Muslim und eine Muslimin mit einem Hundehaufen gleichgesetzt werden.
Der Pankower Bezirkspolitiker René Stadtkewitz weiß von all dem angeblich nichts. Nach dem Treffen sagt er, er habe sich nur die Probleme der Mieter mit der Moschee angehört. Das seien in erster Linie die Lärmbelästigung, sowie Fragen der Sicherheit und der Müllentsorgung. "Das Gebäude ist für 90 Menschen zugelassen", behauptet er. Aber mehrere Mieter hätten bis zu 300 gezählt. Ein Foto, das "der Herr Bock" geschossen hätte, habe das bestätigt. "Das müssen wir natürlich prüfen", so Stadtkewitz. Er werde demnächst ein Freitagsgebet besuchen, um sich ein Bild zu machen. Sollte die Moschee überfüllt sein und damit "illegal genutzt" werden, werde er rechtliche Schritte gegen den Imam einleiten, so der CDU-Politiker.
Aber seiner Meinung nach handele es sich nur um einen hochgekochten Nachbarschaftsstreit, der mit Rassismus nichts zu tun hätte. Mit dem nächsten Satz macht Stadtkewitz allerdings deutlich, dass es für ihn wohl doch um mehr als einen Knatsch unter Nachbarn geht: "Die Leute fühlen sich gar nicht mehr wie im eigenen Land. Das nehmen sie als unangenehm wahr. Aber nur weil man sich kritisch mit der Situation auseinandersetzt, ist man doch nicht gleich rechtsradikal." Auch Hausmeister Krämer will kein Rechter sein. Wenn er etwas gegen Ausländer hätte, würden in seinem Haus keine wohnen.
Besucher beschweren sich
Das sehen die meisten Mieter des Hauses anders. Sie haben sich am selben Abend ein paar Häuser weiter zusammengefunden, um per Mediation den Konflikt zu schlichten. Organisiert hat dieses Treffen Eva-Maria Kaes vom Quartiersmanagement Moabit West. Eingeladen waren auch die Vereinsmeier um Bock - die allerdings sind nicht erschienen. "Der Hausmeister schließt zu jeder freien Minute das Tor ab, angeblich aus Sicherheitsgründen", erzählt Imam Hajjir. Dabei gehe es ihm nur darum, die Menschen am Besuch der Moschee zu hindern. Hajjir ist ein guter Freund von Kaes, dem sie eine wichtige Rolle bei der Integrationsarbeit des Bezirks zuschreibt. Als Jordanier kam er vor knapp 30 Jahren nach Berlin und fing bereits früh an, sich im sozialen Bereich zu betätigen.
Auch Moscheebesucher wissen nichts Gutes über den Hausmeister zu berichten. "Einmal hat er 'Scheiß Ausländer' und 'Ihr habt hier nichts zu suchen' aus dem Fenster gerufen", berichtet ein junger Mann. Hajjir ergänzt: Was die Zahl der Besucher betreffe, suchten Bock und sein Verein doch nur nach gesetzlichen Argumenten, mit denen sie sie loswerden könnten. "Wir haben hier aber alles behördlich geregelt", versichert er. Das bestätigt Christian Hanke, SPD-Bezirksbürgermeister von Mitte. "Es gibt keine baurechtlichen Beschränkungen für einstöckige Gebäude."
Etwas Positives kann Hajjif dem Streit aber doch abgewinnen. Durch die Auseinandersetzung habe man unter den Nachbarn neue Freunde gefunden.

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Berliner Woche Nr. 36, 05.09.2007
Berliner Woche Nr. 36

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taz, 04.09.2007
Moscheegegner im rechten Netz
Berliner Islamgegner vernetzen sich - unter anderem mit Kölner Rechtsextremisten. Bei der Abgeordnetenhauswahl 2011 will "pro Deutschland" mit antiislamischen Parolen Stimmen fangen.
VON ALKE WIERTH UND GEREON ASMUTH
"Pro Köln" ist federführend beim Protest gegen den geplanten Bau einer Moschee in Köln-Ehrenfeld. Nun planen die Rechten nach Angaben auf ihren Internetseiten Aktionen gegen das in Charlottenburg von dem Verein Inssan geplante Gebetshaus. "Pro Köln" ist seit 2004 als Fraktion im Kölner Stadtparlament vertreten. Die Initiative wurde vom Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen als rechtsextrem eingestuft. Eine Klage dagegen wurde abgewiesen.
Im Internet ist ein Protokoll eines "Strategieseminars" zu finden, bei dem im April die "politische Aufbauarbeit in Berlin" diskutiert wurde. Dort sei auch der Bundesvorsitzende von "pro Deutschland", Manfred Rouhs, aufgetreten. Der ist zugleich Fraktionsgeschäftsführer von "pro Köln". Als Ansprechpartner für Berlin nennt das Protokoll einen ehemaligen Kandidaten der "Partei Rechtsstaatliche Offensive". Für die Parlamentswahl 2011 hat "pro Deutschland" bereits ein Fünfpunkteprogramm mit Slogans wie "Multi-Kulti? Nein Danke!" zusammengestellt.
Noch deutlicher sind andere Internetbeiträge. Ein sich als "kritischer Islamwissenschaftler" bezeichnender Kai Borrmann führt Dossiers über die Moschee in Charlottenburg und über den Nachbarschaftsstreit um ein Gebetshaus in Moabit. Außerdem wirbt er für die Gründung eines Landesverbandes von "Pax Europa" - einer von dem ehemaligen Journalisten Udo Ulfkotte gegründete "Bürgerbewegung", die sich "für Europa - gegen Eurabien" einsetzen will.
Ein weiterer Akteur taucht in diversen Internetforen als "skipperberlin" auf. Er bezeichnet sich als Gründer des "Vereins Berliner Nachbarschaftshilfe". Dessen Motto: "Immer klar Kurs halten - und dann 'Feuer frei' aus allen Rohren!" Zudem stellt sich "skipperberlin" als Sprecher der Mieter des Moabiter Hauses vor, in dem es einen Streit um die dortige Moschee gibt. Die Homepage des Vereins wirbt mit Verweis auf den Protest gegen die Charlottenburger Moschee um neue Mitglieder - und für eine Veranstaltung mit dem Pankower CDU-Abgeordneten René Stadtkewitz, der sich als Gegner der Ahmadiyya-Moschee in Heinersdorf einen Namen gemacht hat.
"Es gibt ekelhafte Internetseiten mit ekelhaften rassistischen menschenverachtenden Kommentaren", sagte der Bezirksbürgermeister von Mitte, Christian Hanke (SPD), der taz. "Das ist der rechte Mob, der sich dort auslässt. Da muss man klar gegenhalten." Innensenator Ehrhart Körting (SPD) hingegen sieht "derzeit keine Anzeichen für wirkungsvoll vernetzte Strukturen". Auch Piening warnt vor einer Überbewertung. Es gebe Texte im Internet, die sich aufeinander beziehen. "Man kann aber noch nicht abschätzen, was sich da entwickelt."
"Pro Deutschland"-Chef Rouhs dürfte das gefallen. "Erfreulicherweise schläft der politische Gegner tief und fest", sagte er laut Protokoll im April.

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© www.heinersdorf-oeffne-dich.de, Initiative aus Berlin-Heinersdorf, Berlin 2007 | letzte Aktualisierung: 03.05.2010